Die ersten beiden Tage unserer Reise verbringen wir in der Metropole Havanna.
Mit einem Bus aus chinesischer Produktion- hier scheint es nur chinesische Busse zu geben –
fahren wir von unserem Hotel im Stadtteil Vedado zum „Museo de la Revolución“ in der Altstadt. Für jeden geführten Besucher geht es auf der ersten aller Visiten hierher.
Das Museum beherbergt alle Memorabilien und Überbleibsel der Revolution von 1959, einschließlich der in einem eigenen Gebäude untergebrachten Motoryacht ‚Granma‘, mit der die Revolutionäre aus Mexiko kommend in Kuba landeten.
Weiters gibt es die Überbleibsel der über Kuba abgeschossenen amerikanischen U2 zu sehen. Auch ein Boot, das bei der Invasion in der Schweinebucht verwendet wurde, und alle möglichen bei der Revolution verwendeten Fahrzeuge und Flugzeuge sind ebenfalls ausgestellt.
Wir können sagen, wir haben den Schrein der kubanischen Revolution besucht.
Entlang des Malecón, der Uferpromenade, fahren wir nach diesem Besuch zur Hafeneinfahrt, auf deren einen Seite das „Castillo de San Salvador de la Punta“ und auf der gegenüberliegenden das „Castillo de los Tres Reyes del Morro“ mit dem Leuchtturm liegen, beides malerische, fotogene und geschichtsträchtige Festungen.
Am „Parque Luz Caballero“, ein paar hundert Meter weiter, verlassen wir unseren Bus und starten unseren Spaziergang durch die Altstadt von Havanna, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe gezählt wird.
Nur ein paar Schritte von hier liegt die „Plaza de la Catedrál“.
Eingerahmt von wunderbar restaurierten kolonialen Gebäuden öffnet sich der Platz vor der Kathedrale. Wie fast überall in Lateinamerika gibt sich die Kirchenfassade, die den Platz auf der Nordseite abschließt, in barocker Verspieltheit. Sie wird von zwei Türmen eingefasst, die den Giebel der Front nur unwesentlich überragen. Kubanische Rhythmen klingen von einem Café herüber, vor der Kirche flaniert ein buntes Völkchen in „typischen“ Kleidern und Posen.
Da werden wir von bunt gekleideten Frauen zu einem kostenpflichtigen Foto animiert, ein älterer Herr in hellem Anzug und mit dicker Zigarre posiert vor den Kameras kanadischer Touristen mit einer Ausgabe der Zeitschrift ‚Lonely Planet‘ in der Hand, auf deren Titel er abgelichtet ist.
Alle haben die Absicht als die „typischen Modelle“ von den Touristen Geld abzugreifen. Dazu werden hier und da Souvenirs angeboten und hin und wieder versucht ein Bettler sein Glück bei uns. Wir peilen erst einmal die Lage, um der Situation gerecht zu werden – gar nicht so einfach.
In den engen Gassen der Altstadt finden wir unseren Weg zur Plaza Vieja (sprich: plasa viecha), dem alten Platz mit seinen vorbildlich renovierten Gebäuden. Einem Bayern fällt hier natürlich zu aller erst das Lokal an der Ecke mit dem Namen „Factoria Plaza Vieja“ mit dem Zusatz „Cervezas“ auf,
denn hier blitzt uns aus dem Lokal der blank gewienerte Kupferkessel einer Mikrobrauerei entgegen.
Und wo es eine Brauerei gibt sollte auch frisch gezapftes Bier ausgeschenkt werden. An den im Schatten von großen Sonnenschirmen aufgestellten Tischen führt natürlich kein Weg vorbei. Wir erfahren, dass die Brauerei von einem Österreicher geplant und aufgebaut wurde. So kommt es, dass wir, bevor wir einen Tropfen des Nationalgetränks Rón (= Rum) ergattern, den Vergleich zwischen bayrischem und kubanischem Bier anstellen können. Wir finden, dass es sich sehr gut trinken lässt. Es sieht aus wie dunkles Bier, schmeckt herb, ist naturtrüb und süffig.
Der weitere Weg führt uns vorbei am „Café Taberna“, in dem die bei uns durch Wim Wenders Dokumentarfilm „Buena Vista Social Club“ sehr bekannt gewordene Truppe immer noch auftritt. Als wir durchs Fenster lugen, legt ein Paar in perfekten Schritten einen Salsa aufs Parkett.
Weiter geht es durch enge Gassen und vorbei an renovierungsbedürftigen oder gar baufälligen Häusern in der zweiten Reihe – hier gibt es noch eine Menge zu tun – bis zum alten Franziskaner Kloster.
Ein Plakat am Kircheneingang kündigt für den nächsten Abend ein Konzert des Kammerorchesters an – wir beschließen, morgen wieder zu kommen und es uns anzuhören.
Und weil wir gerade dabei sind über die Musik in Havanna zu sprechen, soll ein Platzkonzert des Blasorchesters „Banda Nacional de Conciertos“ vor dem „Palacio de los Capitanes Generales“ am „Plaza de Armas“ nicht unerwähnt bleiben. Eine Stunde lang tauchen wir ein in kubanische Rhythmen eines grandiosen Konzertes.
Das Orchester bringt Werke von der europäischen Klassik bis in die Moderne Kubas. Zum Abschied wird uns sogar eine Jam Session in großer Besetzung geboten. Wir sind begeistert!
Jeden Abend um 21:00 Uhr findet auf der dicken Mauer der „Fortaleza de San Carlos de la Cabaña“ (kurz: „La Cabaña = die Hütte) die Kanonenschuss-Zeremonie statt, spanisch: „El cañonazo de las nueve“.
Sie diente in alten Zeiten den Einwohnern von Havanna als Signal, die Stadttore zu schließen und die Kette an der Hafeneinfahrt hochzuziehen. Heute nehmen es die Leute als Startschuss für das Nachtleben in Havanna. Die Zeremonie findet jeden Tag statt, sie startet mit dem feierlichen Einzug der Soldaten in historischen Uniformen mit Standarte und Fackeln und endet um genau 9 Uhr mit dem infernalischen Knall der alten Kanone, die vorher in einer Zeremonie geladen und für den Schuss vorbereitet wird.
Ein weiterer Tag in der Metropole beginnt für uns mit dem Besuch des „Plaza de la Revolución“,
an den sich nahtlos die Visite einer der größten Nekropolen Lateinamerikas anschließt. Sie ist nach dem europäischen Entdecker der Insel benannt, „Cementerio Cristóbal Colón“ und sie versetzt uns ins Staunen. Sie wurde 1866 gegründet und dehnt sich heute auf über 56 ha aus, mitten in der Stadt.
Durch ein riesiges Tor in römisch-byzantinischem Stil betreten wir den überdimensionalen Friedhof, in dem über 53.000 Familiengrabstätten, Mausoleen und Grabkapellen, aber auch schlichte Gräber für die ärmeren Leute angelegt sind. Es ist tatsächlich eine Stadt der Toten in der vor allem die Grabstätten der wohlhabenden Leute und Helden herausstechen.
Gräber besonderer Menschen, wie das der Maelia Goyri besser bekannt als „La Milagrosa“, der im Volksglauben Wundertätigkeit zugeschrieben wird, sind wahre Pilgerstätten. An ihrem Grab finden wir in Andacht versunkene Leute, die sich zu Beginn ihres Besuchs durch Klopfen mit dem Messingring auf der Grabplatte ankündigen, dann, wie in diesem Fall, um Fruchtbarkeit bitten. Bevor sie wieder gehen, stecken sie einen Blumenstrauß in eine der bereitgehaltenen Behälter und entfernen sich rückwärtsgehend vom Grab, um der wundertätigen Toten nicht den Rücken zuzuwenden.
Als ‚aufgeklärter‘ Europäer beobachte ich die Szene mit Staunen und werde dabei sehr an die Geschichte der Difunta Correa, erinnert. Sie wird in Argentinien, ganz ähnlich, wie „La Milagrosa“ hier in Kuba, als wundertätig verehrt. Auf meiner Reise durch die Pampa sah ich entlang der Landstraßen immer wieder Altäre und kleine Kapellen, die ihr gewidmet sind und an denen vor allem Fernfahrer gefüllte Wasserflaschen als Opfergabe hinterlassen. Um beide Personen ranken sich schier unglaubliche Legenden – wohl eine Spezialität dieser Hemisphäre.
Auf unserem Weg zum „Hotel Nacional de Cuba“ halten wir am Malecón neben dem Gebäude der Ständigen Vertretung der USA. Ein Kuriosum stellen die 135 Fahnenmasten dar, die, mit Fahnen behängt, den Blick auf die Stirnseite der Gesandtschaft vollständig verstellen. Das fanden die Mächtigen im Land für nötig, denn noch vor ein paar Jahren soll dort eine Leuchttafel installiert gewesen sein, auf der für die kubanische Zensur unakzeptable Texte, also US-Propaganda, in hellen Lettern leuchteten.
Das „Hotel Nacional de Cuba“, ein alter, großer Hotelbau mit viel Geschichte
ist heute wieder ein 5* Hotel, in das uns die Kubaner gerne führen, um zu zeigen, wer sich trotz der politischen Wirren und des Embargos in den vergangenen Jahrzehnten hier so alles sehen ließ.
Weniger das, als vielmehr der Charme der alten Einrichtung und die Ungezwungenheit in diesem ehrwürdigen Haus beeindrucken uns und geben uns das Gefühl entspannter Gastfreundschaft.
Ich denke wir kennen jetzt die Adresse für unseren nächsten Besuch in Havanna 😉
Am Abend gehen wir natürlich, wie am Vortag beschlossen, zur Franziskaner Kirche und besuchen das Konzert des Havanna Kammerorchesters. Für 10,00 CUC/Person genießen wir einen Reigen alter und moderner Werke – eines davon wurde von einem 27-jährigen, kubanischen Komponisten geschrieben. Er sitzt nur zwei Reihen vor uns und nimmt am Ende die sehr berechtigten Ovationen von Publikum und Orchester geschmeichelt und zufrieden entgegen.
Bevor wir uns morgen auf den Weg aufs Land machen, trinken wir noch einen vorzüglichen Piña colada oder Cuba libre und genießen den Abend bei kubanischer Musik und einem wunderbaren Sonnenuntergang an der Promenade.
Über das Leben auf dem Land, bei den Tabakbauern und in den Bergen erzählt der nächste Blog.