Obwohl bei uns der Winter nicht recht einziehen will, nehmen wir uns – dieses Mal nicht auf dem Motorrad – ein Ziel vor, das neben einer ganzen Menge Kultur auch etwas wärmere Temperaturen verspricht. In der Wüste, so das Kalkül, ist es tagsüber auch in unserem Winter wärmer und vor allem sonnig. Vor diesem Hintergrund machen wir uns mit einer Reisegruppe aus Österreich – organisiert von Kneissl touristik aus Lambach bei Wels – auf den Weg in den Nahen Osten, nach Jordanien.
Das Programm ist so gestaltet, dass es auch für Kathy und mich, die wir normalerweise Individualreisen den Gruppenreisen vorziehen, sehr interessant ist und so werden wir Teil einer Reisegruppe.
Von München fliegen wir nach Amman, der jordanischen Hauptstadt, die schon in biblischer Zeit von den Ammonitern auf sieben Hügeln als Rabbat-Ammon gegründet wurde. Im Jahr 1900 war der Ort ein Dorf mit ca. 2.000 Einwohnern. Der Lauf der Geschichte des 20 Jhdts. im Nahen Osten hat Amman zur Großstadt mitten in der Wüste werden lassen. Es wohnen derzeit ungefähr 2,3 Mio. Menschen in der Stadt was ihre Ausdehnung auf über 23 Hügel zur Folge hat.
Viele fragen uns: kann man denn angesichts der Unruhen in den Nachbarländern nach Jordanien fahren, ist das sicher?
Gleich zu Anfang die Antwort: ja, man kann! Das Land erleben wir als sehr friedlich. Es ist sehr damit beschäftigt seine eigene Wirtschaft aufzubauen und in Gang zu halten, ihr Bevölkerungswachstum in jeder Hinsicht zu organisieren, die Flüchtlinge aus Syrien (ca. 1,3 Mio.) zu betreuen und darüber die Flüchtlinge aus dem Irak und Ägypten (zusammen ca. 1 Mio.) nicht zu vergessen. Das bedeutet, dass ca. 6,7 Mio. Jordanier für mehr als 2 Mio. Flüchtlinge, die sie in ihr Land aufgenommen haben, sorgen. Das beginnt mit der täglichen Versorgung mit Nahrungsmitteln und endet beileibe nicht mit der Organisation des Schulbesuchs der Flüchtlingskinder. Eine wahrlich herkulanische Aufgabe, der sich das Land stellt.
Als Touristen unterstützen wir die Anstrengungen ein wenig, indem wir Devisen ins Land bringen.
Vor diesem Hintergrund starten wir unseren Besuch und erkunden zuerst das Stadtzentrum von Amman. Auf dem Hügel über der Altstadt finden wir die Zitadelle mit ihren griechischen und römischen Artefakten. Besonders fällt der Herkules-Tempel mit den wieder aufgerichteten Säulen ins Auge und das Objektiv.
Natürlich besuchen wir auch die einzige für Fremde zugängliche Moschee, die König-Abdullah-Moschee,
in deren Nachbarschaft sich eine fast gleich große griechisch-orthodoxe und eine römisch-katholische Kirche befinden.
Mit dem Bus fahren wir dann auf der Straße in Richtung Bagdad, um einige der sagenhaften ‚Wüstenschlösser‘ zu besichtigen. Zuerst steht die Festung Qasr al-Azraq auf der Liste.
Sie liegt in der gleichnamigen Oase, ca. 100 km östlich von Amman. Seine Grundfeste gehen auf die Nabatäer und die Römer (ca. 300 n.Chr.) zurück. Seine Besonderheit ist der schwarze Basalt, aus dem die etwa 80m x 80m große Anlage gebaut ist. Besonders fallen uns die granitenen Türen auf, die sich dank guter Schmierung immer noch in den Angeln drehen.
Beeindruckend sind auch die Geschichten über Lawrence von Arabien, der 1917 hier sein Lager aufgeschlagen hatte, bevor er in den Kampf gegen die Osmanen zog.
Auf der südlich von unserer Anfahrtsroute gelegenen Straße zurück nach Amman halten wir buchstäblich im Nirgendwo. Etwas abseits der Straße liegt ein kleines Gebäude, das uns als ein weiteres der sagenhaften Wüstenschlösser Quasair ‚Amra vorgestellt wird.
Tatsächlich entpuppt sich das Schlösschen als Kleinod orientalischer Kunst. Es wurde, so belegen Inschriften im 8. Jhdt. n.Chr. gebaut und enthält wunderbare Wandmalereien – echte Fresken.
Dies ist die Voraussetzung dafür, dass wir heute die Gemälde noch bestaunen können, denn aufgetragene Wandmalerei wäre längst verschwunden, da das Haus (Jagd-)Schloss und Badehaus zugleich war. Das Gebäude gehört seit 1985 zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Unser letztes Wüstenschloss liegt ein paar Kilometer weiter in Richtung Amman. Qasr al-Kharaneh nennt sich die alleine auf einer Anhöhe stehende praktisch quadratische Festung. Bei ihrem Anblick kommt uns das Castel del Monte in Apulien/Süditalien in den Sinn.
Natürlich ist es kleiner als die Burg von Friedrich II, sie strahlt aber auch diese Unnahbarkeit aus und ist noch ein paar hundert Jahre älter (ca. 8 Jhdt.). Ein Klotz mitten in der Landschaft, der hauptsächlich als Karawanserei genutzt wurde.
Zurück in Amman nehmen wir die Fahrt nach Norden in Angriff. Unser Ziel ist die Stadt Gadara oder Umm Qais. Es handelt sich um eine Ausgrabungsstätte einer Siedlung aus vorchristlicher Zeit.
Sie liegt an der heutigen Grenze zu Israel und etwa 10 km vom Südufer des See Genezareth entfernt.
Die Stadt hatte ihre Blüte in der hellenistischen und römischen Zeit. Sie wurde im 7. und 8. Jhdt. von Erdbeben zerstört, trotzdem bis ins 13. Jhdt. bewohnt. Danach verlieren sich die Spuren. Wiederentdeckt haben sie deutsche Archäologen erst 1974 und danach freigelegt, was wir heute bestaunen können. Ähnlich wie in al-Azraq sind auch hier die Gebäude aus schwarzem Basalt. Faszinierend, wenn sich schwarze Säulen statt wie gewohnt marmorweiße in den Himmel strecken.
Gadara gehörte ebenso, wie unsere nächste Stadt, zur Dekapolis, einem losen Zusammenschluss von 10 hellenistischen Städten östlich des Jordan.
Diese nächste Stadt liegt auf unserem Rückweg nach Amman. Sie hieß Gerasa, heute trägt sie den Namen Jerash und besitzt mit der alten hellenistisch-römischen Ruinenstadt ein weiteres archäologisches Kleinod.
Das Gelände liegt mitten in der modernen Siedlung im Talgrund und hat eine stattliche Ausdehnung. Es ist mehr als 2 km lang und streckt sich über mehr als einen Kilometer den Hang hinauf.
Die Ausgrabungen brachten einen der schönsten Stadtplätze, das Ovale Forum zu Tage.
Eingerahmt von Säulen wird er von einem Jupiter Tempel überragt. Zwischen diesem Platz und dem gegenüber liegenden Stadttor führt eine fast einen Kilometer lange, gepflasterte Straße, an der sich nacheinander die Tempel und Heiligtümer der alten Griechen und Römer aufreihen.
Im hinter dem Jupiter Tempel gelegenen Theater finden 5.000 Zuschauer Platz – ganz schön groß für eine Stadt in der tiefsten Provinz.
Neben all den spektakulären Bauten gibt es eine Menge weiterer Kostbarkeiten zu sehen, die zu beschreiben wäre einfach zu lang. Für Interessierte lohnt sich ein Besuch auf alle Fälle!
Unsere Reise führt uns nun von Amman nach Süden. Wir folgen der Königsstrasse, eine der beiden Magistralen, die nach Aqaba führen.
Unser erster Halt liegt auf dem ca. 800 m hohen Berg Nebo. An dieser Stelle stand Moses und durfte das gelobte Land, das Jordantal mit der Stadt Jericho sehen. Wie wir wissen, durfte er aber nicht hinüberziehen , er starb an Ort und Stelle, sein Bruder Aaron übernahm den Job.
Wir dürfen bei leicht diesigem Wetter die Aussicht ebenfalls genießen, können aber auch wieder weiter ziehen.
Von einer kleinen Kirche (St. Lot und Procopius), ganz in der Nähe, aber mitten im Nirgendwo, legten Archäologen den Mosaikboden frei, er ist einen Besuch wert.
Der Wächter, ein Beduine aus der Gegend, empfängt uns – heute sind wir sicher die ersten Besucher – und sperrt uns das Gebäude, das als Schutz über die wertvollen Mosaike gebaut wurde, auf.
Nachdem wir die Kostbarkeit eingehend betrachtet haben, kredenzt er jedem von uns ein Glas frisch gebrauten Tee – eine sehr freundliche Geste.
Weiter geht die Fahrt nach Madaba, einer sehr interessanten Stadt. Sie wird mehrfach im Alten Testament der Bibel erwähnt, hat also sehr alte Wurzeln. Bis ins 8. Jhdt. war sie christlicher Bischofssitz, dann aber wurde sie von einem Erdbeben praktisch ausgelöscht und von den Bewohnern verlassen. Erst im späten 19. Jhdt. kamen die Christen wieder und bauten die Stadt wieder auf. Das erklärt, dass das größte Gebäude im Zentrum der Stadt die griechisch-orthodoxe Basilika Sankt Georg ist.
Sie beherbergt das berühmte Mosaik von Madaba aus dem 6. Jhdt., auf dem die Landkarte von Palästina dargestellt ist – sie wird später auf unserer Reise noch eine Rolle spielen.
Nur ein paar Hausecken weiter besuchen wir auch noch die Apostelkirche, sie ist ebenfalls für ihre Mosaiken berühmt. Wir staunen nicht schlecht.
Es heißt, in der Stadt sollen Reste von insgesamt 10 Kirchen gefunden worden sein.
Weiter auf dem Weg in Richtung Süden müssen wir das Wadi Mujib queren. Es gilt als der Grand Cañon Jordaniens.
Ca. 600 Höhenmeter geht es von der Kante auf gewundener Straße hinunter ins Tal. Auf einem Staudamm überqueren wir den Fluss und erklimmen die Hochebene wieder auf kurvenreicher, mit Serpentinen bestückter Straße – fünf Kilometer Luftlinie sind wir nun von der Nordseite entfernt.
Natürlich träumt der Motorradfahrer hier mit der eigenen Maschine unterwegs zu sein.
Weiter auf der Königsstraße führt unsere Fahrt am späten Nachmittag zur Burg Kerak. Stadt und Burg liegen auf einem Bergrücken, auf dessen Sporn die trutzige Festung aufragt.
Sie wurde von Kreuzrittern um 1142 gebaut und galt als uneinnehmbar, da sie auf drei Seiten von einem Tal umgeben ist. Im zweiten Versuch soll Saladin aber die Burg 1188 nach einer Belagerung von acht Monaten geschleift haben. Die Reste sind heute noch imposant und sehenswert.
Und so nähern wir uns dem absoluten Höhepunkt unserer Reise. Wir fahren wieder in die Berge und besuchen die sagenhafte Stadt Petra. Es wird seit 1985 in der Welterbeliste der UNESCO geführt. die Steinerne Stadt und Hauptstadt der Nabatäer, die hier von ca. 300 v.Chr. bis ca. 150 n.Chr. ihre Macht entfalteten.
Als Nomaden, die sie waren, siedelten sie in ihren Zelten in der Gegend von Petra. Durch die Kontrolle der Weihrauchstrasse von Medina bis in die Zentren des Altertums konnten sie immensen Reichtum und Einfluss aufbauen.
Das half ihnen, ihren Toten eine Stadt in den Fels zu bauen – Petra.
Mit einem Tagesmarsch von ca. 18 km und der Überwindung von ca. 500 Höhenmetern in diesem weitläufigen Gelände können wir uns einen guten Eindruck verschaffen.
Den stimmungsvollen Abschluss unseres Besuches bildet die Vorstellung ‚Petra by Night‘.
Den Rest erzählen die Bilder.
Das nächste Highlight hat sehr viel mit dem ‚Wüstenstaat‘ Jordanien zu tun, denn wir fahren in’s Wadi Rum, eigentlich muss es Wadi Ram heißen, die Schreibweise ist aber der englischen Aussprache geschuldet. Auch diese Wüstenei wurde 2011 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen – und das mit Recht, wie wir finden.
Von einem Wüstenlager (für Touristen) fahren wir auf der Ladefläche eines Pick-ups in die Wüste. Feinster Sand weht uns in Mund und Nase. Trotzdem genießen wir den Ausritt. Wir besuchen Plätze an denen Hirten vor Urzeit Tiere in die Felsen geritzt haben,
an der an anderer Stelle die Nabatäer eine Landkarte in die am Boden liegende Sandsteinplatte geritzt haben
und halten an einer natürlichen Brücke, die einen langen Bogen über eine Sanddüne spannt.
Am Lagerfeuer und mit heißem Tee erleben wir den fantastischen, farbenprächtigen Sonnenuntergang
und fahren danach in stockfinsterer Nacht und wilder Fahrt auf dem Pick-up wieder zurück ins Lager.
Von Aqaba, der Hafenstadt am Roten Meer, führt uns die Reise wieder nach Norden an das Tote Meer. Entlang der Straße begleiten uns die bewässerten Tomatenfelder – sie werden gerade geerntet.
Kleine Nomaden- Siedlungen mit den typischen Zelten sind zu sehen, hin und wieder fahren wir aber auch an kleinen Dörfern vorbei,
in denen die Nomaden sesshaft gemacht wurden. Für uns sieht es so aus, als ob sie sich nicht recht entschließen könnten wirklich sesshaft zu werden.
Am Toten Meer, es liegt träge in der Sonne und wir haben um die 20° C, führt die Straße an schroffen Felsen vorbei. Unausweichlich, wie könnte es anders sein, kommt uns die Salzsäule von der Frau Lot in den Weg.
Sie steht schlank und rank an einem Hang über der Straße – muss eine echter Verlust für den Lot gewesen sein.
Kurz bevor der Jordan in das Tote Meer mündet, so sagen die Überlieferungen, soll sich die Stelle befinden, an der Johannes der Täufer Jesus getauft hat.
Die Stelle am Jordan ist von beiden Seiten zugänglich. Schon in den 1990er Jahren haben Israelis und Jordanier die Minen weg geräumt und es den (christlichen) Touristen ermöglicht, die Stelle zu besuchen. Trotzdem präsentieren sowohl israelische wie jordanische Fremdenführer die jeweils authentische Taufstelle auf jeweils ihrem Gebiet.
Die besseren Karten dürften aber die Jordanier haben, denn auf dem Mosaik von Madaba (hier ist es wieder, s.o.) wird sie auf ihrer, der Ostseite, dargestellt und für die Katholiken hat Johannes-Paul II die Stelle in Jordanien als die authentische quasi zertifiziert.
So werden wir von Mahmut, unserem jordanischen Reiseführer, natürlich an den ‚richtigen‘ Platz geführt. Er liegt z. Zt. trocken, führt aber hin und wieder Wasser, wie Fotos zeigen.
Am Jordan stehen wir in einem Unterstand auf Holztreppen vor einem ca. 15 m breiten Flüsschen. Gegenüber, auf der israelischen Seite, sehen wir eine Menge Touristen und eine sehr professionelle Touristen-Infrastruktur.
Eine Gruppe von Pilgern steigt in weißen Kleidern in die braune Brühe und vollzieht das vor 2000 Jahren Geschehene für sich nach.
Auf der jordanischen Seite geht es viel ruhiger zu. Wir sind, zusammen mit ein paar einzelnen Besuchern, nicht mehr als 25 Leute am Fluss.
Die Situation zwischen den beiden Länder scheint sehr entspannt zu sein. Jede der beiden Seiten hat je zwei Soldaten, leicht bewaffnet, zur Bewachung aufgestellt, mehr nicht. Offensichtlich gibt es keinen Grund sich voreinander zu fürchten. Ansonsten wird der Platz den Touristen überlassen. Wir fühlen uns keineswegs an der Front.
Mit einem Bad im Toten Meer bis zum Sonnenuntergang beschließen wir den Besuch eines überraschend abwechslungsreichen Landes.
Das Land und die Leute haben uns eine Menge gelehrt. Wir konnten sehen, dass es in der arabischen Welt trotz stürmischer Zeiten ein Land gibt, das sich bisher gegen feindliche, politische Strömungen wehren und Ruhe bewahren konnte. Wir haben auch gesehen, dass es keine populistische Diskussion darüber gibt, ob den in Not geratenen Nachbarn geholfen werden soll – es wird trotz eigener Einbußen geholfen. Wir konnten uns auch von der Toleranz der großen Mehrheit der Leute gegenüber Andersgläubigen überzeugen und wir konnten sehen, dass das Land verantwortungsvoll mit dem Erbe aus alten Zeiten umgeht.
So gesehen, haben wir ein nicht sehr reiches Land mit einem großen Herzen besucht. Vielen Dank für die Lehrstunde.
Liebe Kathy, lieber Paul,
das sind wieder sensationelle Bilder! Jordanien so sympathisch geschildert zu bekommen, macht Spaß und man spürt Eure Begeisterung. Danke, dass Ihr auch mich auf Eure Erlebnisreise nach Jordanien mitgenommen habt!!!
Herzliche Grüße aus dem Norden
Dirk