Kilometerstand: 8.656 km (Istanbul)
Auf den ersten Metern nach dem Grenzübertritt in die Türkei ist augenscheinlich, dass wir in einem Land mit einem für unsere Reise neuen kulturellen Hintergrund angekommen sind. Kaum 200 m hinter der Grenze stehen wir vor der ersten Moschee – die Aufforderungen des Muezzins zum Gebet werden in den nächsten Tagen zu einer neuen, akustischen Erfahrung. Besonders dann, wenn mehrere Moscheen in unmittelbarer Nachbarschaft stehen, glauben wir einen Wettstreit, oder auch eine melodische Abstimmung des Singsangs feststellen zu können. Für meine Ohren ist das erst einmal eine ungewohnte Form, die Gläubigen daran zu erinnern, einer religiösen Pflicht nachzukommen.
Immer wieder kommt mir in den Sinn, wie wohl das Läuten der Glocken von unseren Kirchtürmen in den Ohren der türkischen Einwanderer geklungen haben mag? Daher finde ich, dass es niemandem zusteht festzustellen, ob das eine oder andere besser ist, denn ‚wat dem een sin Uhl is dem anern sin Nachtigal‘, wie unsere norddeutschen Freunde sagen.
Entlang der Küste fahren wir auf der Schnellstraße, die sich vierspurig am Meer entlang und durch die Orte zieht. Niemand kann uns so recht sagen, wie auf einer derartigen Straße die Vorschriften zum Tempolimit sind. Wir halten uns jedenfalls an die Gepflogenheiten der anderen Verkehrsteilnehmer und haben uns vorgenommen ‚adaptiv‘ zu fahren. Prompt werden wir gleich am ersten Tag von einer Polizeistreife angehalten. Dem Wagen entsteigen zwei junge Polizisten, die erst noch ihre Meriten verdienen müssen. Ihre erste Aktion war, von allen die Papiere zu verlangen. Kontrolliert haben sie sie nicht.
Wir in englisch: ‚Was ist los?‘ – die Polizisten in türkisch: ‚Ihr habt ein Problem – Speed limit ?!?!‘
Wir immer noch in englisch: ‚wir sind nicht zu schnell gefahren‘ und mit einem Hinweis auf unsere Navigationssysteme (zwei sind vorzeigbar) ‚können wir beweisen‘, lassen wir es nicht gut sein.
Beide Polizisten ziehen sich daraufhin in ihr Auto zurück und betrachten angespannt einen Bildschirm – nach einer Weile kommen sie wieder zurück und bedeuten uns, dass die beiden mit Navi, kein Problem hätten, aber die ohne Navi hätten eins, denn sie seien zu schnell gefahren. Sie sammeln die Pässe, Führerscheine und Zulassungspapiere der beiden ein und stellen die Tickets aus – wir stören so gut wir können den Vorgang und die ‚Delinquenten‘ verweigern auch die Unterschrift auf dem Strafzettel – hilft aber nichts, 166 Lira für jeden , das sind ca. 60 EURO. Die Zettel werden leicht konsterniert mit dem Kommentar ‚Toller Empfang von Gästen‘ von uns entgegen genommen und – ich will hier ausnahmsweise vorgreifen – unbezahlt mit nach Hause genommen, denn auch an der Grenze kennt den Vorgang niemand. Die beiden Polizisten steigen so schnell sie können nach der Aktion in ihr Auto und verlassen die Szene beinahe fluchtartig – ich denke auch die beiden hatten ihre spannenden Momente. Kurze Zeit später sehen wir ihr Auto vor einem Café stehen, wir denken, sie brauchten einen türkischen Kaffee zur Entspannung.
Unser Weg führt uns etwas später wieder weg von der Küste in das Zigana-Gebirge und zwar in den Altindere Nationalpark. Dort besuchen wir das Sumela Kloster, das einem Schwalbennest gleich, ca. 270 m oberhalb der Altindere an und in die Felswand gebaut wurde.
Der Ursprung des Klosters geht der Legende nach bis in das 4. Jahrhundert zurück. Es soll eine Ikone beherbergt haben, die vom Evangelisten Lukas selber gemalt worden sein soll und auch ein Splitter vom Kreuz Christi soll dort aufbewahrt worden sein. In den gut 1.700 Jahren seines Bestehens hatte das Kloster so manche Unbill zu überstehen.
Es wurde schließlich zu einem Wallfahrtsort sowohl für die Christen, wie auch für die Moslems, denn es ist der Mutter des Propheten Isa, also Maria der Mutter Jesu geweiht.
Das erklärt für uns auch den großen Strom, vor allem einheimischer Besucher.
Entlang der malerischen Küste geht es weiter Richtung Westen. Ein wenig fühlen wir uns schon auf dem Heimweg.
Nostalgie überfällt uns, als wir an einem dieser ‚Roadside Restaurants‘ einen Ford Taunus 20 m (Badewanne) in rot und gut gepflegt stehen sehen.
In Cide biegen wir wieder in Richtung Süden ab, um der alten Stadt Safranbolu einen Besuch abzustatten. Sie lag früher an einem Zweig der Seidenstraße und war mit ihrer Karawanserei auch Etappenziel für die reisenden Kaufleute. Für uns ist sie Ziel einer Tagesetappe.
Als wir dort ankommen erfahren wir, dass die Stadt an diesem Wochenende wegen eines türkischen nationalen Feiertags besonders voll ist. Die Hotels sind alle ausgebucht – was machen? Durch die Vermittlung einer Mitarbeiterin eines Restaurants – sie bringt Christoph und Klaus in ihrem Auto zur Besichtigung der Unterkunft – erhalten wir Zimmer in einer Privatpension. Sie befindet sich in der ‚Neustadt‘, und dort in einem traditionellen, für die Stadt typischen Haus.
Von der Besitzerin, einer älteren Lady, werden wir mit Tee und Kuchen gastfreundlich empfangen und unsere Motorräder erhalten im idyllischen Garten, hinter hohen Mauern einen sicheren Platz für die Nacht.
Das Bild des alten Stadtzentrums von Safranbolu wird durch die Häuser geprägt, deren Erdgeschoss gemauert ist, die beiden darüber liegenden Stockwerke aber in filigranem Fachwerk errichtet sind.
In den engen Gassen der Altstadt finden wir natürlich allerlei Touristen-Tand, aber auch noch ein paar traditionelle Handwerker. Sie sitzen in ihrem Laden, der zugleich Werkstatt ist und arbeiten an Schuhen oder einem Anzug.
Ein Bild, das an alte Zeiten erinnert.
Die Stadt wurde 1994 in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO eingetragen.
Nach dem Besuch im baugeschichtlichen Mittelalter machen wir uns auf den Weg nach Istanbul. Ein bereits 50 km vor der Stadt beginnender Stau, der sich wieder auflöst, um sich kurz danach erneut aufzubauen, kündigt uns die Metropole auf zwei Kontinenten an. Auf der südlichen Brücke über den Bosporus – sie kann in Richtung Westen kostenlos benutzt werden, nur in Richtung Asien ist sie mautpflichtig – nähern wir uns der Altstadt dieser Megacity. Unversehens stecken wir im Feierabendverkehr und werden mehr durch die Straßen geschoben, als dass wir zielgerichtet fahren. Wir kommen bei dieser Gelegenheit auch am Taksimplatz – bekannt aus Funk und Fernsehen in den vergangenen Wochen – vorbei. Laut Navi sollten wir drüber fahren können, die Fahrspuren sind aber nicht mehr vorhanden, wir müssen unter den Augen massiver Polizeikräfte wieder umdrehen.
Unser Hotel, ganz in der Nähe der Galatabrücke finden wir dann auf anderem Wege doch noch – froh dem chaotischen Verkehr entronnen zu sein. Für den Abend nehmen wir uns die Sehenswürdigkeiten diesseits und jenseits des Goldenen Horns vor.
Unsere Motorräder bekommen beim BMW Händler neue Hinterreifen und eines sogar den 10.000 km Kundendienst.
Damit sind wir gerüstet für die letzten 2.000 km auf unserer Reise.
Auf Wiedersehen Istanbul.
Lieber Paul und Mitfahrer,
Interessante Berichte und schoene Fotos von zumindest mir nicht bekannten Ecken dieser Welt. Vielen Dank, dass man daran teilhaben kann. Fuer die letzten 2000km wuensche ich Euch eine gute und unfallfreie Fahrt.
Alles Gute, Wolfgang Haberl
Hallo Paul u. Mitfahrer,
herzliche Grüsse aus dem regnerischen , kalten München (15 Gr. )
senden Euch Brigitte & Gerhard. Kommt gesund u. munter nach Hause. Wetter soll aber wieder besser werden. Sicher freut Ihr Euch auf ein bayrisches Essen.
Hallo Paul,
ein interessanter Bericht und sehr schöne Bilder, wie von Dir nicht anders zu erwarten. Wenn ich das richtig interpretiere hat Euch Europa schon wieder. Eure Reise war sicher wesentlich abenteuerlicher als unser Trip durch Nordamerika! Weiterhin alles Gute für den Rest der Reise.
Peter & Edith (z.Zt. Santa Fe / New Mexico)
Servus Paul,
hiermit sende ich Dir als unser Roadcaptain der Schwarzmeerflotte ein herzliches Dankeschön für die super tolle Tour durch 16 Länder und die unterschiedlichsten Kulturen. Es war ein Erlebnis der besonderen Art mit Dir, mit Klaus und Christoph dies erleben zu dürfen.
Liebe Grüsse von Fritz, der mit der niedrigen GS!