Ziel 60° Nord – Yukon Territories und Alaska

Kilometerstand: 14.188 km

Unsere Reise soll uns nun weiter in den Norden führen, in eine Gegend, die für uns Mitteleuropäer in Vielem bekannt zu sein scheint, die aber bei genauerem Hinsehen sich ganz anders darstellt, als es auf den ersten Blick scheint.

Wir wollen uns darauf einstimmen, indem wir durch die Inselwelt der Inside Passage auf dem ‚Alaska Marine Highway System‘, einer ‚All American Road‘, fahren. Dieses Prädikat verleiht das Verkehrsministerium besonders schönen Strecken, solchen, die als eigenständiges Ziel angefahren werden. Da diese Strecke auch mit dem Fahrzeug ganz in der Nähe, nämlich im  Schiffsrumpf befahren werden kann, erhielt der Marine Highway, obwohl gänzlich zu Wasser, nicht zu Unrecht diese Auszeichnung.

Die MV Columbia, das Arbeitsross der staatlichen Reederei aus Petersburg, Alaska nimmt uns an Bord. Sie kann 499 Passagiere und 135 Autos und LKW-Anhänger aufnehmen und ist gut gefüllt, als wir in Bellingham, etwa 150 km nördlich von Seattle, an Bord gehen. Wir sind nicht die einzigen Motorradfahrer, die nach Alaska wollen. Mit uns fahren drei Goldwings,

drei Harleys, eine sieht aus, wie die von Peter Fonda in Easy Rider und eine andere hat sogar einen Anhänger (Pumpkin – Kürbis, wie sie ihr Besitzer wegen der Lackierung nennt)

und auch zwei weitere BMWs gehen mit auf das Schiff. Wie bei jeder Fähre, werden die Motorräder zuerst eingeladen, doch trotzdem sind wir nicht die Ersten in der Schlange beim Einchecken für die Kabinen. Wir haben hier einfach ein paar ’strukturelle Nachteile‘, denn wir müssen unsere guten Stücke selbst verzurren – nach dem Motto ‚mind your own business‘, die Verantwortung hat der Fahrer und sonst niemand.

Die meisten Passagiere schlagen sowieso ihre Zelte an Deck auf oder übernachten im ‚Solarium‘, das so genannt wird, weil die Liegen auf dem überdachten Außendeck mit elektrischen Heizstrahlern auf Temperatur gehalten werden.

Unsere Wartezeit hält sich daher in Grenzen und wir dürfen uns über eine Außenkabine freuen, die wir über die Warteliste von einer netten Dame im Reservierungsbüro erhalten hatten.

Um 18:00 Uhr laufen wir aus und nehmen erst mal Kurs Südost, denn wir müssen um eine kleine Insel herum. Danach geht es jedoch zwischen Vancouver Island und dem Festland zügig nach Norden. Nach ein paar Stunden verlassen wir den „Schatten“ der großen Insel und laufen, bis wir uns in die Welt der kleinen Inseln einfädeln, in der langen Dünung des Pazifischen Ozeans. Wir haben Glück, denn heute ist die See relativ ruhig und so bleibt die Fahrt für die Passagiere ohne größere Folgen – obwohl das Schiff die Bewegungen der Wellen gut mitmacht. Es dauert nicht zu lange, bis wir hinter den vielen Inseln verschwinden und ab sofort die See nur noch bretteben und ohne Schaukelei erleben.

Hier beginnt der Zauber dieser Inside Passage. Das Land kommt dem Schiff immer näher und manchmal haben wir den Eindruck, es sei nur einen Steinwurf entfernt. Der dichte Wald reicht meist bis an das Wasser und verwehrt jeden Blick hinter die erste Reihe der Bäume. Wir erleben zauberhafte Momente, in denen die Sonne – es ist 22.00 Uhr abends – am Horizont steht und ihre goldenden Strahlen auf die rechts von uns vorbei gleitenden Hänge wirft.

Hin und wieder sehen wir den weißen Kopf eines Weißkopfseeadlers in den Zweigen der dunklen Fichten blitzen. Einmal fliegt einer an unserem Schiff vorbei, ein paar Zweige zur Nachrüstung des Horstes in den Greifen; ein anderer holt sich zwischen Schiff und Ufer gerade die abendliche Beute aus dem Wasser.

Auf den kleinen Inseln sehen wir hin und wieder kleine Häuschen. Wir fahren an Siedlungen vorbei, die so klingende Namen wie „Bella-Bella“ haben, sie sind sicher nicht ohne Boot oder Flugzeug zu erreichen.

Viele davon gehören den Indianern, wie wir sagen würden; den Leuten der ‚First Nation‘, wie die Kanadier sagen oder ‚Native Americans‘, wie sie von den Amerikanern genannt werden, obwohl wir auf vielen Tafeln immer wieder die alte Bezeichnung ‚Indians‘ lesen – es sieht jedoch so aus, als ob sich im Bewusstsein der Mächtigen kleine Veränderungen im Umgang mit den Ureinwohnern Amerikas abzeichneten.

 

Uns zieht die spektakuläre Natur immer mehr in ihren Bann. Wir können uns gar nicht satt sehen an kleine Siedlungen am Ufer, an den Wasserfällen, mal groß und mächtig, sie tosen so laut, dass wir es auch an der Reeling hören. Mal fallen sie in vielen kleinen Rinnsalen aus dem Wald die Felsen herunter ins Meer und sehen aus wie das feine Haar von Feen.

 

Plötzlich faucht auf der steuerbord-Seite eine Fontäne aus dem Wasser und kurze Zeit später ein paar -zig Meter weiter in Fahrtrichtung nochmal eine. Alle Passagiere warten auf die nächste Fontäne und tatsächlich, sie kommt, gefolgt von der langsam aus dem Wasser auftauchenden Finne eines Buckelwals.

Ein weiteres Mal atmet das Tier nochmals tief ein und zeigt uns dann beim Abtauchen seine Flute – leider gibt es davon kein Bild, denn die Begeisterung hat uns vergessen lassen, dass wir die Auslöser drücken.

Drei Tage auf See lassen aber auch viel Zeit um im ‚Büro‘ wieder auf Stand zu kommen und so lassen sich die bisher liegen gebliebenen Mails beantworten, ohne jedoch auch gleich abgeschickt zu werden – auf See gibt es nämlich kein Internet.

Zwischendurch machen wir in Ketchikan fest, wo auf der anderen Seite der Stadt gleich vier Kreuzfahrtschiffe festgemacht sind. Auf dem Wasser direkt neben unserer Colombia starten und landen Wasserflugzeuge, die offensichtlich die Passagiere der Kreuzer zu den in der Nähe liegenden Gletschern fliegen.

Wir fahren weiter und legen unterwegs auch noch in Wrangell, in Petersburg und in Juneau, der Hauptstadt Alaskas an. Überall wird in drei bis vier Stunden entladen und wieder beladen. Passagiere verlassen das Schiff und neue kommen wieder an Bord, es ist wie im Zug. Der Chefsteward sagte einmal, seine Gesellschaft ließe sich, was Frühstück und Abendessen beträfe, mit jedem anderen öffentlichen Verkehrsmittel in Amerika messen und hatte natürlich die Lacher auf seiner Seite.

Wir fahren weiter nach Norden und erreichen am Ende unserer Fahrt den Lynn Canal, der sich wie ein Fjord weit ins Land hinein erstreckt.

Dabei gleiten große Gletscher an uns vorbei, die ihre Zungen zum Teil bis ans Meer vorgetrieben haben. Aber auch hier schmilzt das Eis schneller, als neues nachkommt und so erreichen andere oft nur noch in flüssiger Form das Meer. Das Schmelzwasser färbt das Meer so milchig grün, wie wir es von der Isar nach einem kräftigen Regen in den Bergen kennen.

In Haines gehen wir an Land und werden von der Dame am Counter des Hotels gleich darauf aufmerksam gemacht, dass heute zwei Bären in der Nähe des Ortes gesichtet worden seien – wir sollten aufpassen.

 

Für uns ein Zeichen dafür, dass wir nun in einem Land unterwegs sind, in dem wir Menschen noch keineswegs die Oberhand über die Natur haben – ein wildes und bisher weitgehend ungezähmtes Land.

Leider erfahren wir in Haines aber auch, dass Peter und Edith auf dem Weg von Whitehorse nach Dawson City einen Unfall hatten und sie im Krankenhaus von Whitehorse lägen.

Wir wollen unbedingt nachsehen und fahren natürlich sofort von Haines nach Whitehorse. Wir besuchen die beiden und können ein paar Dinge für sie in die Wege leiten. Ganz besonders freut uns, dass Bruce, ein kanadischer Motorradfahrer, uns anspricht. Er will wissen, ob er wir Hilfe bräuchten; wir verneinen und beschreiben ihm in kurzen Worten, was Peter und Edith geschehen war. Er sagt uns, dass er sie auf alle Fälle am Nachmittag im Krankenhaus besuchen würde. Er wird für die Beiden zu einer großen Hilfe, nämlich indem er sie wieder ans Internet anschließen kann, was uns am Vormittag nicht gelungen war, da uns dafür das kanadische Bankkonto fehlt. Wie er das gemacht hat, ist hier und hier zu lesen.

Es ist einfach wunderbar – als Motorradfahrer ist man nie (!) alleine – vielen Dank Bruce!

Edith und Peter, wir wünschen Euch alles Gute und vor allem gute Besserung und dass Ihr bald nach Hause fliegen könnt. Wir kommen in ca. 14 Tagen wieder durch Whitehorse und hoffen, dann allerdings Eure Betten leer vorzufinden, weil Ihr bis dahin schon wieder bei Euren Lieben im schönen Frankenland seid!

Whitehorse war eines der logistischen Zentren des 1891 stattfindenden Gold-Rausches in der Klondike Region. Das machte die Stadt bekannt und zum Ausgangspunkt der Schifffahrt auf dem Yukon.

 

Die Klondike II liegt heute am Ufer des Yukon – allerdings mit dem Kiel im Sand – als Museum und verkörpert die Zeit vor den Strassen in dieser Gegend.

In der Stadt scheint immer noch ein wenig von der Zeit zurück geblieben zu sein und so fühlen wir uns in den Tagen dort auch recht wohl.

 

Wie es dann im Land des ‚Gold Rush‘ weiter geht und wohin es uns verschlägt, ist im nächsten Blog zu lesen.

 

6 Antworten auf „Ziel 60° Nord – Yukon Territories und Alaska“

  1. Servus Kathy und Paul,
    weiterhin alles Gute und problemloses Weiterkommen in Alaska.
    Es macht mir viel Freude, durch Eure interessanten Berichte und tollen Fotos bei Eurer Reise quasi mit dabei zu sein. Das regt schon ganz schön zur Nachahmung an und ich hoffe, mal eine ähnlich lange Motorradtour machen zu können. Danke für die schönen Berichte und lasst es Euch gut gehen.
    Liebe Grüße, Wolfgang Haberl

  2. Hallo Paul & Kathy,
    ihr habt nicht nur „ein paar Dinge“ für uns auf den Weg gebracht, sondern ihr ward uns eine riesige Hilfe nicht nur in organisatorischer Hinsicht! Es tat gut hier am „Anus Mundi“ eure Nähe und Verbundenheit zu spüren. Mit Spannung und nicht ohne eine ordentliche Portion Neid verfolgen wir euren weiteren Weg nach Norden. Ride safe!
    Peter & Edith

  3. It was such a pleasure to meet you yesterday (July 9th) on our way down from Fairbanks and your journey to Fairbanks. We hope your travels are going well further north to the Arctic Circle.
    We enjoyed your blog and were able to use Google translate for the first time.
    Safe travels—

  4. Hallo Amerikaner,
    Es macht richtig Spaß eure Blog´s zu verfolgen,..tolle Bilder..super Kommentare. Wir hoffen euch gehts gut,…habt ja schließlich eine Menge Abenteuer.
    Am Abdeck ist alles wie gewohnt. Über Besonderheiten werdet ihr ja rechtzeitig von unserm Postbot Peter informiert.
    Wir wünschen euch nun weiterhin viele tolle Erlebnisse und allzeit unfallfreie Fahrt.
    Liebe Grüße Toni und Marille

  5. Hallo ihr zwei,
    Klasse………. ihr habt einen Wal gesehen, schade das es davon kein Foto gibt. Ich kann eure Begeisterung gut verstehen. Weiterhin eine gute, sichere und vor allem eine unfallfrei Reise wünschen euch beide von Herzen,
    Antonie und Hans und ganz liebe Grüße von Papa

  6. Hallo Kathy und Paul,
    schön, wieder von Euch zu hören. Besonders die Bilder von Alaska erinnern mich sehr an Erwins Fahrt vor einigen Jahres durch diese Gegend. Auch er war total begeistert von dieser Gegend.
    Wir wünschen Euch weiterhin eine gute Fahrt und freuen uns schon auf Eure nächsten Berichte.
    Alles Gute,
    Marianne und Erwin

Kommentare sind geschlossen.