Kilometerstand Malargüe: 27.270 km
Der südliche Sternenhimmel hat ein Sternbild, das man auf der Nordhalbkugel nicht sehen kann. Es ist für den südlichen Himmel ebenso markant, wie für den nördlichen der Polarstern und der Große Wagen. Man sollte es also gesehen haben, wenn man sich schon in den Regionen aufhält. Es ist das Kreuz des Südens. Nicht mal in der Atacama, wo alle berühmten Sternwarten stehen, war das möglich, denn es war ja bekanntlich bedeckt und es hat geregnet, wie fleißige Blogleser sicher noch wissen.
Heute sollte ich ganz ohne Vorplanung die Möglichkeit haben, dieses Sternbild bei völliger Dunkelheit und sternenklarem Himmel bewundern zu können.
Aber alles der Reihe nach.
Ich starte auf meinem Weg entlang der Anden nach Norden in Chos Malal auf der Ruta 40. Die wunderbar geteerte Strasse führt um den Vulcan Tromen herum. Mit seinen fast 4.000 m steht er als rechter Klotz in der Landschaft.
In Richtung Norden ist ein kleiner Pass zu überwinden, auf dessen Abfahrt ich zwei Brasilianer treffe. Sie sind mit dem Fahrrad unterwegs und kommen gerade von der Laguna Auquinco, wo sie im Zelt übernachtet hatten. Sie beklagen den starken Gegenwind, sind aber sonst guter Dinge. Mit einen freundlichen ‚farewell‘ verabschieden wir uns und um die nächste Kurve empfängt mich ein spektakulärer Blick auf den im Tal vor mir liegenden See.
Als die Strasse ins Tal des Rio Grande – so einen gibt es auch in Argentinien – einbiegt, ist es vorbei mit der Teerstrasse. Es kommt wieder Ripio, 140 km lang. Die Landschaft, durch die ich fahre ist jedoch spektakulär.
In einem alten Lavastrom, den der Tromen ins Tal geschickt hat, bahnt sich der Fluss seinem Weg – manchmal entlang, aber auch mitten durch die Lava.
Erst, jedoch, als ich in Bardas Blancas wieder auf die Teerstrasse komme, wird es richtig spannend. Nicht, dass das einzige Restaurant geschlossen hat und ich ausser den üblichen Keksen und Wasser kein Mittagessen bekomme. Nein, nach gut fünf Kilometern gibt es am Hinterrad einen Höllenlärm, ein schlagendes Geräusch. Als ich langsamer werde, ist es weg, mit mehr Geschwindigkeit kommt es wieder. Also runter von der Perla Negra und schauen. Die Diagnose fällt leicht: im Hinterreifen steckt ein fast 30 cm langer Draht. Ich hoffe, dass er nur im Gummi der Stollen steckt – die Hoffnung wird enttäuscht – es kommt zum Platten, als ich den Draht raus ziehe.
Da ich gut vorbereitet bin, denke ich, habe ich zwar eine zeitraubende, aber recht leichte Übung vor mir. Ich hole mir das BMW Reparaturset aus der Ersatzteilschachtel und beginne mit der Operation. Da ich das schon öfters gemacht hatte, war ich quasi geübt. Als ich soweit fertig war und die Gummistopfen in das vorbereitet Loch drücken will, stellt sich raus, dass der Vulkanisierzement in der Tube bereits ausgehärtet und damit nicht mehr zu gebrauchen ist. Nun habe ich noch ein zweites Flickzeug eingepackt, von dem mir auf dem Flug nach USA die Patronen abgenommen wurden. Der Vulkanisierzement macht noch, was er soll, jedoch alle Gummistopfen sind bereits so spröde, dass sie reißen bevor sie in den Reifen schlüpfen.
Nachdem der letzte Stopfen verbraucht ist, wird klar, dass es mit der Autonomie vorbei ist. Ich stehe mitten in der Pampa – im wahrsten Sinne des Wortes – kann den Reifen nicht flicken und bin somit auf Hilfe eines Dritten angewiesen. Es ist halb vier, die Sonne scheint, es ist warm aber der Wind bläst, nicht zu stark, aber stärker, als wir das zu Hause gewöhnt sind. Es kommt so alle zehn Minuten ein Auto vorbei.
Nach einer guten Weile fährt der Müllwagen der Municipalidad – der Gemeinde – an mir vorbei….und bremst 50 m weiter. Im Rückwärtsgang kommt der LKW zurück. Ein Mann steigt aus, und fragt, ob er helfen kann. Ich zeige ihm den Plattfuß, worauf er meint, das Motorrad packen wir in den Schlund des Müllwagens und fahren es nach Malargüe, die ca. 65 km entfernt liegende nächste Stadt. Als er jedoch die Größe des Motorrades – er geht von den hier üblichen 125ern aus -sieht, ist ihm klar, dass der Vorschlag nicht funktionieren kann. Wir reden darüber, dass man das Hinterrad ausbauen und mitnehmen müsste und dass aber auch einer beim Motorrad bleiben muss, um darauf aufzupassen.
Er bietet an, das Rad mitzunehmen und in zwei Stunden wieder hier zu sein.
Ich muss schnell entscheiden – traue ich dem Mann? wird er mit dem Rad wieder kommen?
Ich entschließe mich, ihm das Rad mitzugeben. Er sagt, er sei Vicente und macht so schnell es geht. Dann laden wir das Rad in den Schlund des Müllwagens und so beladen sehe ich dem Müllauto nach.
In diesem Moment sind meine Perla Negra und ich geerdet – festgenagelt – bewegungsunfähig!
Es war klar, dass Vicente das Pensum, 65 km mit dem Müllwagen nach Malargüe fahren, den Reifen flicken lassen, mit seinem Auto wieder die 65 km zurück fahren, nicht in zwei Stunden schaffen würde, also rechne ich auch nicht um sechs Uhr sondern eher ab sieben Uhr mit ihm.
Während ich warte, halten verschiedene Leute an, mit denen sich auch längere Unterhaltungen ergeben – es sind zwei Biker im Auto, die ähnliche Strecken befahren haben, wie ich, oder Nestor mit seiner Frau, die schon viele Fremde, Reisende mit dem Fahrrad und zu Fuss, in ihrem Haus beherbergt haben, oder auch zwei Männer aus Bardas Blankas, die daran zweifeln, dass ich das richtig gemacht habe und mir den Comisario aus dem Dorf schicken.
Es ist sieben Uhr, die Schatten werden länger und Vicente ist immer noch nicht da. Leise Zweifel beschleichen mich. Die beiden aus dem Dorf werden doch nicht recht haben?
Die Sonne verschwindet hinter dem Berg im Nordwesten und gegen viertel nach acht wird es dann endgültig dunkel. Nach und nach kommen die Sterne am Firmament und obwohl ich wegen meiner Situation keinen Kopf dafür habe, kann ich nicht umhin, diesen grandiosen Sternenhimmel zu bewundern. Da sehe ich tatsächlich zum ersten Mal auf meiner Reise das Kreuz des Südens. Ein wunderbarer Anblick zwischen Hoffen und Bangen.
Es wird halb neun – ein alter Ford Lastwagen hält an und der Fahrer sagt mir ungefragt, dass der, mit meinem Rad schon unterwegs hierher sei und spätestens in einer halben Stunde auftauchen müsste – hoffentlich hat der Recht.
Es ist neun Uhr – fünf Stunden warten am Strassenrand – Lichter tauchen auf, die Warnblinkanlage wird eingeschaltet, ein altes Auto – Marke nicht feststellbar – wechselt die Strassenseite und kommt direkt auf mich zu, hält an und aus dem Auto steigt >Vicente<, mein Freund.
Es dauert nicht lange und das Hinterrad ist wieder eingebaut.
Es ist nun halb zehn Uhr, da sagt Vicente, er könne mich nicht einfach alleine losfahren lassen, wir würden miteinander in die Stadt fahren, er mit dem Auto voraus und ich hinterher. Dann müsse ich unbedingt zuerst einen Cafecito (Tasse Kaffee) bei ihm zu Hause trinken und dann sehen wir weiter. Ich willige ein und so fahren wir los.
Das Stück Teerstrasse ist nur noch drei Kilometer lang, dann kommt wieder Ripio auf der es über einen 2000 m Pass geht. Nach gut 30 km, wieder in der Ebene, fahren wir wieder auf schönstem Teerbelag.
Fünf Kilometer vor der Stadt biegen wir von der Hauptstrasse ab und fahren vor das Haus von Soledad, Vicente hat sie und die kleine Tochter Marianela auf den nächtlichen Ausflug mitgenommen.
Kurz darauf sitzen wir in der guten Stube und unterhalten uns bei einer starken Tasse Kaffee und gegrilltem Hühnchen mit papas fritas. Sie wollen mich nicht mehr weiter fahren lassen und bieten mir das Zimmer von Marianela für die Nacht an – ich nehme an.
Um halb ein Uhr schlüpfe ich in meinen Schlafsack, froh, den Tag gut überstanden zu haben.
Am nächsten Morgen werde ich mit einem Frühstück und einer großen Flasche Limo wieder in die Wildnis entlassen.
¡Muchos Gracias para su grande ayuda y su maravilloso hospitalidad!
Das Ziel ist Mendoza, das Zentrum argentinischen Weines, aber darüber erzähle ich im nächsten Blog.
Ja, da gibts doch tatsächlich auch sehr nette, liebe, hilfsbereite Leute in Südamerika!! Weiterhin noch alles Gute,lieber Paul!!
Hoffentlich machst Du in Chile genauso gute Erfahrungen!
Liebe Grüße
Eckhard ud Halina
Hallo Paul, nach dem Du das Kreuz des Südens gesehen hast, wünsche ich Dir, daß dies auch noch mit der Auora Australis klappt.. Bald wird es Winter, da könnest Du Glück haben.
Willst Du bis Ushuaia oder noch etwas weiter südlich fahren ?
Hallo Paul,
da sieht man wieder , Männern von der Gemeinde kann man halt vertrauen. Er sieht aber auch vertrauenswürdig aus, aber ich denke das waren lange Stunden für dich.
Weiterhin gute Fahrt
Rita und Ottl
Hola Paul, soy Néstor Vazquez. amigo y vecino de Vicente (el muchacho de buen corazón que te ayudó con la goma pinchada de tu moto cuando te faltaban 65 km para llegar a Malargüe). Hemos visto toda tu narración respecto a lo que viviste antes y durante tu estadía en casa de Vicente Cerda, lo q más nos impactó fue la fotografía que tomaste a la „cruz del sur“, a través de ella DIOS no ha puesto un BUEN CORAZON a todos los malargüinos lo que hace que seamos solidarios y hospitalarios con las personas que nos visitan y sobre todo que están pasando un mal trance, como te ocurrió a vos aquella vez en Bardas Blancas.Si tienes un tiempo responde a este mismo correo, Vicente quiere seguir en contacto con vos, porque quiere pedirte un recuerdo de Alemania. Chau.
Ah Paul, me olvidaba… dice VICENTE que si quieres enviarle un recuerdo de tu país, puedes hacerlo a esta dirección:
SR. VICENTE CERDA
MALARGÜE – ARGENTINA
(Direción postal no publicado)
Lieber Paul,
herzlichen Dank, dass du mich an deinem Reisabenteuer teilnehmen lässt. Ich danke dir für die wunderbaren Aufnahmen und die berührenden Geschichten. Die Story mit der Reifenpanne liest sich wie ein Krimi.
Alles Gute für die weitere Fahrt und herzliche Grüße Hannes
P.S.: Das alte Eisen ist noch in einem fabelhaften Zustand – so scheint es mir
hola paul!!como estas???somos vicente y su familia!!!es un alegri estar en contacto contigo!!! soy la hija de la mujer de vicente!!!espero que te agrade!!y que pena no pude conocerte en tu estadia en nuestra casa!!!que estes muy bien!!y saludooos a tu esposa!!!de parte de todos nosotros!!besos